Achtsamkeit: bewusst, wertfrei, gegenwärtig.
26. Januar 2021Tipp zum Alltag
26. März 2021Es war einmal ein Sandkorn. Das lebte auf dem Meeresgrund in tiefer Dunkelheit. Es spürte das sachte Auf und Ab der Wellen. Daneben war da nur Dunkelheit. Licht, Farben und Sonnenwäre waren dem Sandkorn fremd. Aber da es diese Dinge nicht kannte, vermisste es nichts. Der Platz auf dem Meeresgrund war seine Welt. Und es war zufrieden damit.
Eines Tages hörte es ein tiefes Grollen, das immer lauter wurde. Nebst dem Lärm, spürte es auch Bewegung. Das Sandkorn wurde mit andern Sandkörnern angehoben, emporgehoben. Viele der umliegenden Sandkörner waren freudig erregt über diese Veränderung. „Endlich passiert mal etwas“, hörte es die Andern um sich herum sagen.
Unser Sandkorn konnte mit dieser Begeisterung wenig anfangen. Es suchte keine Veränderung, es war zufrieden mit dem, was es hatte. Ja, das Neue machte ihm Angst und es wollte nur seine Ruhe haben, es wollte in seinem Gewohnten verbleiben. Die mutigeren Sandkörner lachten es aus. „Komm schon, sei doch kein Hasenfuss! Lass dich überraschen und geniesse das Unbekannte“. Da es nicht weiter auffallen wollte, versuchte es, an etwas Freude zu entwickeln das es im Grund genommen gar nicht wollte, ja es sogar ängstigte.
Mit der Anstrengung, wie die andern zu fühlen, versteifte sich das Sandkorn immer mehr und mehr, es entfernte sich immer weiter von sich fort. Es begann, das Neue immer stärker abzulehnen und verschloss sich ihm täglich mehr. Aber unser Sand-korn wusste auch, dass es die Veränderung nicht aufhalten konnte. So ertrug es diese anteilnahmslos und gleichgültig. Es nahm die Veränderung hin, aber nicht an.
Das Sandkorn wurde höher und höher hinaufgetragen, bis es ein helles Licht sah. Dieses Licht veränderte seine ganze Welt. Plötzlich sah es Farben, es spürte die Wärme der Sonne, hörte das Rauschen des Windes und spürte die Tropfen des Regens. Das waren ganz neue Gefühle. Doch damit noch nicht genug. Es wurde mit anderen Sandkörnern zusammen gepresst. Und plötzlich war es kein einzelnes Sandkorn mehr, sondern bildete zusammen mit anderen etwas Grosses, Hartes. Es war zu einem Sandsteingebirge geworden.
Neue Erfahrungen stürmten auf unser Sandkorn ein. Es war nun nicht mehr alleine, sondern Teil einer Gemeinschaft. Dies vermittelte ihm das Gefühl von Macht. Die Gemeinschaft bildete ein Bollwerk. Etwas, das es als einzelnes Sandkorn nie geschafft hätte. Die Gemeinschaft hatte aber auch ihren Preis. Nach der losen Sandkörnerkolonie am Meeresgrund fühlte sich die Gemeinschaft für unser Sandkorn zuweilen an wie ein Gefängnis, das Zusammengedrückt sein wie ein Korsett. Es war Schutz und Gefängnis zugleich.
Das Sandkorn war verunsichert ob all der Neuerungen. Nichts war mehr so wie früher. Und alle Veränderungen waren ihm aufgezwungen worden. Nichts war selbst gewollt. Mit dem Neuen taten sich ihm aber auch Möglichkeiten auf, von denen es sich nie hätte träumen lassen. Es war hin und her gerissen. Es verspürte Lust pind Freude, das Neue, das sich ihm bot, auszuprobieren. Wegen dieser Neugier hatte unser Sandkorn aber auch das Gefühl, sich selber zu verraten. Denn das alte Sandkorn wollte ja gar keine Veränderungen.
Die Sehnsucht nach dem Bisherigen, dem Gewohnten, dem Bekannten siegte über die Neugier. Die Versteinerung war vollbracht.
Die Zeit verging. Der Wind zerrte am Berg aus Sandstein und nach vielen Jahren begann er sich wieder aufzulösen. Stück für Stück bröckelte er ab. Einige kleinere Gemeinschaften poltern laut in die Tiefe, einige Sandkörner lösten sich aus der Verbindung heraus und flogen mit dem Wind auf und davon.
Schon wieder herrschte Unruhe in der Welt unseres Sandkorns, eine weitere Veränderung hatte begonnen. Und doch war es dieses Mal anders.
Das Sandkorn nahm die Veränderung nicht einfach mehr nur hin. Es verweigerte sich ihr, es wollte sich nicht länger einfach nur fügen, es wollte sich nicht mehr bedingungslos anpassen, es wollte nicht mehr fremdbestimmt werden. Nein, dieses Mal wehrte es sich mit allen ihm zur Verfügung stehenden Kräften. Die Ergebenheit, die Sanftmütigkeit war einem Trotz gewichen. Es kämpfte, haderte, tobte, bettelte. Aber alles half nichts! Entkräftet musste es das Unausweichliche akzeptieren. Gegen die Zeit, gegen die Kräfte der Erosion hatte es keine Chance.
Der Regen spülte unser Sandkorn vom Gipfel des Berges in die Tiefe hinunter und eines Tages fand es sich auf dem Grund des Tales wieder. Hier war nichts mehr von der erhabenen, grandiosen Gipfelaussicht zu sehen, Auf dem Boden war es allem möglichen ausgeliefert. Menschen und Tieren trampelten auf ihm herum, es war jedem Luftzug hilflos ausgeliefert. Nichts war mehr Beständig.
Das Sandkorn fühlte sich erneut umhergeschubst und machtlos. Es haderte mit seinem Schicksal und schaute sehnsüchtig hinauf auf den Berg. Ihm wurde wehmütig bewusst, dass es, als es auf dem Gipfel war, der Schönheit und Erhabenheit nicht bewusst gewesen war. Es hatte die Aus- und Weitsicht nicht geschätzt. Damals sehnte es sich nach dem Grund des Meeres zurück, aus dem es emporgehoben worden war. Nun lag es am Boden und sehnte sich nach der Höhe des Berges zurück.
Plötzlich fiel es dem Sandkorn wie Schuppen von den Augen. Immer sehnte es sich nach dem, das nicht mehr war, nach dem Vergangenen. Es realisierte, dass es noch nie im Hier und Jetzt gelebt hatte. Es war immer nur anwesend, nie selber aktiv, nie richtig lebendig. Es hatte Angst vor Veränderungen, weil es etwas gehen lassen musste, das es noch gar nicht gelebt hatte.
Es sah die vielen Chancen, die es in seinem Dasein ungenutzt hatte vorbeiziehen lassen, all die Möglichkeiten, selber etwas zu verändern, die es nicht genutzt hatte. Es realisierte, dass es Unmengen von Kraft aufgewendet hatte, nicht zu leben, sondern nur zu existieren
Doch Seit diesem Tag lebt das Sandkorn im Hier und Jetzt. Es wehrt sich nicht mehr gegen Veränderungen, entweder durch Lethargie oder durch Kampf. Es nutzt die Kraft der Veränderung für sich. Es weiss nun, dass Veränderung, auch wenn sie nicht selber initiiert ist, nie als Strafe gedacht ist, sondern als Chance, etwas Neues, Unbekanntes zu erlernen.
In seinem weiteren Leben machte es die Erfahrung, dass nicht alle Veränderungen einfach waren anzunehmen. Aber auch wenn es den Sinn und Zweck nicht immer auf anhin verstand, glaubte es an die positive Kraft der Veränderung. So gelang es ihm, auch schmerzhafte Veränderungen anzunehmen, sich nicht gegen das Leben zu verschliessen. Es lernte, all die kleinen, zarten, neuen Wege zu sehen, die sich aus der Veränderung ergaben. Nun konnte es ihnen folgen und sich auf das Neue freuen.
Dieses Wissen liess es mutig seinen weiteren, ihm noch unbekannten Weg zu gehen.
Quelle: leider unbekannt